Samstag, 4. Dezember 2010

4. Dezember

Presents shoppen, Christkindlmarkt - es weihnachtet immer mehr.
Hab heute was für alle, die gute Musik mögen... ;)
Vielleicht etwas melodramatisch, aber... i like. ^^

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Disclaimer: Der Text entspringt meiner Fantasie, ich stelle hier weder Behauptungen noch Vermutungen auf - die Personen Farin U und Bela B gehören nur sich selbst. Hiermit möchte ich niemandem zu nahe treten und niemanden verletzen.

Junge.
Ich erinnere mich noch genau an den Abend an dem Dirk mir den Song zum ersten Mal vorgespielt hat.
Ich habe bereits geschlafen, als jemand wie wild begonnen hat vor meiner Wohnung Sturm zu klingeln.
Mit einem “Was zum Teu-“ habe ich die Wohnungstür aufgerissen, als ich meinen besten Freund erkannte.
Verklärt habe ich ihn angestarrt, was er jedoch nur mit einem breiten Grinsen erwidert hat:
“Jan, ich hab’s jetzt! Ich hab’s!”
Ich - müde und perplex wie ich nun mal war - hatte keine Ahnung von was er sprach:
“Was hast du, Dirk?”
“Ich weiß jetzt, wie ich es mache!”, lautete die einzige Auskunft, die ich erhielt, und schon hatte Bela sich an mir vorbei, in die Wohnung, gedrängt.
Ich war ihm immer noch verschlafen hinter her getrottet, wobei mein Blick auf die Uhr im Wohnzimmer gefallen war.
“Verdammt, Dirk, es ist halb drei in der früh!”, hatte ich erschrocken bemerkt, wobei mir gleich die einzig logische Erklärung für das Alles hier in den Sinn kam: “Hast du etwa getrunken?”
Doch Bela hatte mich einfach eiskalt ignoriert -was meine Theorie nur noch verstärkt hatte- und hatte mich weiterhin mit einem breiten Grinsen angestrahlt:
“Ich brauch deine Gitarre!”
“Was?”, ungläubig hatte ich ihn angesehn.
“Deine Gitarre!”, hatte er abermals wie selbstverständlich verlangt.
“Okay...”, seufzend schüttelte ich den Kopf, “Wie viel hast du getrunken, Dirk?”
“Verdammt, Jan, jetzt hör doch endlich auf mit dem scheiß Alkohol, ich bin nicht betrunken. Ich hatte heute nacht einen Geistesblitz, und wenn ich ihn dir nicht bald vorspielen kann, vergess’ ich ihn womöglich noch.”
Ich war so erleichtert darüber gewesen, dass er nicht getrunken hatte, dass es mir gar nicht seltsam vorgekommen war, dass er wegen eines Songs hier mitten in der Nacht auftauchte.
Also hatte ich ihm -inzwischen schon mehr als neugierig auf dieses ach so wichtige Lied - meine Gitarre ausgehändigt und er hatte sich damit auf die Couch fallen lassen, wo er kurz darauf begonnen hatte ein paar einfache Akkorde zu spielen.
Obwohl seine Gitarrenkünste nicht unbedingt berauschend waren, bildete sich in meinem Kopf synchron zu seinen Akkorden eine Melodie, und ich konnte nicht anders als mit dem Kopf den Takt mit zu wippen.
Diese Melodie - sie hatte etwas an sich, etwas Mitreisendes.
Doch dann hatte Bela zu singen begonnen und - ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen - schon bei seinen ersten Worten hatte die Zeit begonnen sich zurück zu drehen und die Erinnerung an diese grauenhafte Situation damals vor so vielen Jahren hatte mich überrollt wie eine Welle von kaltem Wasser...

Es war das erste und - wie sich später herausstellen sollte - auch das letzte Mal gewesen, dass ich bei Bela zu Besuch gewesen war.
Bis dahin hatte Bela es erfolgreich geschafft mich von seinem zuhause fern zu halten, doch nachdem wir uns jetzt bereits seit zwei Jahren kannten - wobei er sicher die Hälfte davon bei mir zuhause verbracht hatte- hatte ich schließlich auch darauf bestanden auch einmal sein Zimmer zu sehen.
Und so hatte Dirk mich an einem Donnerstag nach der Schule - wir waren damals beide 17 gewesen - mit zu sich nach Hause genommen.
Und, ich muss gestehen, ich hatte sofort verstanden, warum er bis jetzt noch nie jemanden aus unserem Freundeskreis zu sich eingeladen hatte.
Ich, der damals verhältnismäßig eine richtig behütete und herzliche Kindheit erleben durfte, hatte erstmal einen Schock bekommen.
Während Dirk uns in der Küche ein - aus zwei belegten Broten bestehendes - Mittagessen zubereitete hatte, hatte ich im Wohnzimmer auf ihn gewartet, den Blick starr und ungläubig auf Belas Mutter geheftet.
Es war wohl das erste Mal in meinem noch jungen Leben gewesen, dass ich einen Erwachsenen die Fassung verlieren sah.
Obwohl es erst zwölf gewesen war, war Dirks Mutter bereits so betrunken gewesen, dass sie ihren Sohn nicht einmal erkannt hatte, als er sie begrüßt hatte.
Trotz meines Entsetzens war mir der Schmerz in Belas Augen nicht entgangen und ich hätte ihn am liebsten in den Arm genommen, was ich mich allerdings nicht getraut hatte.
Dementsprechend bedrückend war die Stille, die sich schließlich in Belas Zimmer ausgebreitet hatte, als wir zwei sonst so vorlauten Burschen nur kleinlaut zu Boden starrten.
Bela hatte mir später erzählt, wie sehr er sich damals geschämt hatte, während ich in diesen drei Stunden, die ich bei ihm verbracht hatte, wohl die wichtigeste Lektion meines Lebens gelernt hatte.
Man sollte nicht wegen Kleinigkeiten ausrasten, weil es wohl irgendwo auf der Welt sicher noch jemanden gab, dem es schlimmer erging.
Und Dirks Schicksal war mir damals besonders nahe gegangen, zumal ich mir Sorgen um meinen besten Freunde gemacht hatte.
Ich muss gestehen, dass ich erleichtert gewesen war als es drei Uhr geworden war - und somit Zeit für mich zu gehen.
Dirk hatte mich noch zur Tür begleitet, als ich plötzlich eine mir fremde Stimme aus dem Wohnzimmer vernommen hatte.
“Dirk, komm sofort hier her!”
Ich hatte gesehen wie Bela zusammen gezuckt war und sofort hatte mich ein ungutes Gefühl beschlichen.
“Geh jetzt!”, hatte er geflüstert.
“Aber...”, hatte ich angesetzt, doch Bela hatte mich unterbrochen:
“Wir sehn uns morgen.”
“Dirk!”, abermals die wütende Stimme.
Diesmal gehorchte der Schwarzhaarige und ließ mich an der Tür stehen, in der Meinung, ich würde schon gehen.
Doch ich dachte nicht daran.
Was auch immer hier gerade passierte - ich verspürte das seltsame Bedürfnis Dirk zu beschützen - vor was auch immer.
Leise folgte ich ihm ins Wohnzimmer, linste durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen in den abgedunkelten Raum.
Belas Mutter kauerte immer noch auf dem Sofa und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin, ihr Sohn stand mit hängendem Kopf mitten im Zimmer, vor ihm stand ein großgewachsener Mann, das vom Alkohol bereits aufgequollene Gesicht rot vor Wut, die Hände zu Fäusten geballt.
“Was hast du getan, du verdammter Rotzbengel? Was soll das, häh? Haare färben, ja? Glaubst du, du kannst das einfach so machen? Und was hast du da überhaupt schon wieder an, du elender Parasit? Wie siehst du überhaupt aus? Und was sollte das? Hast dir gedacht, du nimmst dir einfach mal so nen Schnösel aus der Schule mit, oder was? Ich habe lange Geduld mit dir gehabt, viel zu lange, aber ich habe immer wieder gesagt, wie verzogen du bist. Deine Mutter wollte nie auf mich hören! Aber ich hab es immer gesagt, du verdammter Bengel!”, ich hatte erschrocken aufgekeucht, als die Hand Dirks Vaters nach vorne geschossen war und seinen Sohn mitten ins Gesicht getroffen hatte.
Stöhnend stolperte Dirk zurück, meine Hand verkrampfte sich an der Türschnalle.
“Jetzt reißt du dein verdammtes Maul nicht mehr soweit auf, wa?”, abermals schlug Dirks Vater zu, diesmal in die Magengrube.
Keuchend taumelte Bela zurück, prallte gegen die Wand und sackte ein Stück nach unten.
In mir krampfte sich alles zusammen.
Ich konnte nicht anders, ich musste zu Bela, ich musste ihm helfen.
Ohne weiter nach zu denken stieß ich die Tür auf und ließ mich besorgt neben dem Schwarzhaarigen zu Boden sinken:
“Dirk, Dirk. Hey, alles okay? Komm schon, Kleiner, sieh mich an...”
“Jan... nein... hau ab.. Bitte.. Geh... schnell...”, stammelte mein Freund nur, doch ich schüttelte hastig den Kopf, die ersten Tränen in den Augen, als ich plötzlich wieder diese Stimme vernahm, die mich später mein ganzes Leben lang verfolgen sollte:
“Wer zum Teufel bist du denn? Raus! Raus aus meinem Haus! Ich zeig dich an, Hurensohn! Ich prügel dich windelweich!”
In mir wuchs die Wut auf diesen Schläger, doch die erste Priorität war jetzt erst mal Dirk hier raus zu bringen.
“Dirk, komm, ich bring dich hier weg.”, flüsterte ich ihm ins Ohr und legte ihm dann einen Arm um die Schulter, um ihm aufzuhelfen.
Inzwischen war sein Vater zu uns gewankt und hatte ihn abermals am Oberarm gepackt, doch ich entriss ihm seines Griffes.
“Fassen Sie ihn nicht an! Lassen Sie ihn in Ruhe!”, fauchte ich und musste mich bemühen meine Wut im Zaum zu halten.
Schnaubend torkelte er wieder zurück.
Natürlich, auf den kleinen, mageren Dirk konnte er losgehen, aber kaum trat ihm jemand entgegen, der genauso groß war wie er, machte er auf Rückzug.
Vielleicht war es auch besser so, ich wollte Dirk hier schließlich so schnell wie möglich rausbringen.
Und das tat ich auch.
Vorsichtig stützte ich ihn aus dem Haus und erst als die Tür hinter uns zufiel, schien er zu realisieren, was gerade passiert war.
Panik schien ihn zu erfüllen.
Obwohl er kaum gerade stehen konnte, wollte er sich von mir losreißen und wieder zurück humpeln.
Behutsam hielt ich ihn fest:
“Dirk, hey, Dirk, bleib hier. Ganz ruhig. Ich bring dich hier weg, okay?”
“Nein, nein, ich muss wieder rein. Sofort. Jan, er bringt mich um, wenn ich nicht sofort zurück komme.”, allein wenn ich mich heute an die Angst in Dirks Augen erinnere, tut es mir im Herzen weh.
“Dirk, scht, ruhig. Alles wird gut. Er wird dir nie wieder weh tun. Ich bring dich jetzt hier weg, und du musst nie wieder zurück...”, der Ausdruck in Dirks Augen, als er meine Worte verstanden hatte, war unbeschreiblich gewesen.
Noch am selben Tag war Dirk bei meiner Mutter und mir eingezogen.
Weder er noch ich hatten seine Eltern seit diesem Tag je wieder gesehen und - soweit ich weiß - hat er das auch nie bereut.

All diese Erinnerungen wurden wieder wach und trieben mir die Tränen in die Augen, als Bela mir an diesem Abend zum ersten Mal “Junge” vorspielte.
Erst lange nachdem er geendet hatte, war ich mehr oder weniger fähig etwas zu sagen:
“Dirk... ich...”
Doch als ich auch die Tränen in seinen Augen sah, waren alle Worte unwichtig und ich schloss ihn in meine Arme - etwas dass ich auch mit der Zeit gelernt hatte.
Ich weiß nicht, wie lange wir so da gestanden hatten, bis Bela die Stille durchbrach und mit einem seltsam glücklichen Grinsen flüsterte:
“Jan, ich will diesen Song morgen Rod vorspielen. Ich will, dass die Ärzte diesen Song spielen.”
“Du... du willst ihn veröffentlichen?”
Bela hatte nur heftig genickt.
“Dirk... bist du dir sicher?”, meine Zweifel basierten vor allem auf Sorgen.
Würde Dirk es verkraften sein ganz persönliches Drama im Radio zu hören?
“Ja, ich bin mir sicher.”, und diese Zuversicht und Ruhe überzeugten schließlich auch mich.

Und jetzt, Jahre später ist “Junge” bereits einer der “alten Hasen” in der Songliste der Ärzte, und auch Bela und ich reden kaum noch darüber.
Aber dennoch komme ich nicht darüber hinweg, jedesmal wenn es dieses Lied im Radio spielt, Dirks Hand zu nehmen.

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Gute Nacht,
h&k
Jenny

1 Kommentar:

  1. Jenny :)
    Ich hoffe es geht jetzt (hab schon öfter versucht einen Kommentar zu schreiben, aber irgendwie hat sich dann mein PC immer wieder aufgehängt .. vllt gehts ja jetzt).
    Ich liebe diesen Text - fast so sehr wie die Ärzte selbst - oder eigentlich noch mehr :) Wirklich und ich liebe überhaupt deinen ganzen Adventkalender und einfach alles, was du schreibst - aber das weißt du ja .. Ich schreibs nur hier nochmal ganz öffentlich, damit es auch alle wissen :)

    <3

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